Nun ist es halt mal so
Vor Jahr und Tag / 5:
Kennen Sie das? Ein Mensch wechselt in einem Gespräch abrupt das Thema. Er erzählt eine persönliche, intime Begebenheit. Im selben Atemzug werden auch gleich mögliche Erklärungen zu deren Entstehung, sowie Ausreden, eventuelle Lösungsansätze nicht anwenden zu können, geliefert. Man fühlt sich überrollt und auch etwas peinlich berührt, denn wollte man es wirklich so genau wissen?
In dieser Situation befand ich mich, als Diana mich aufsuchte. Eigentlich waren es körperliche Symptome über die sie mit mir reden wollte, bis sie auf einmal auf den Tod ihres Vaters zu sprechen kam. „Stellen Sie sich vor, nach all dem, was er mir angetan hat, wollte er sich auf dem Sterbebett reinwaschen und einen Strich unter unser schwieriges Verhältnis ziehen.“ Sie schwieg einen Moment. „Heute weiss ich auch, dass ich stur war, manchmal denke ich es wäre besser gewesen, ihn nicht zurückzuweisen. Mein Therapeut hat mir das im Nachhinein auch empfohlen, aber nun ist es halt mal so.“
Manisch depressives Verhalten, ging mir ein Gedanke durch den Kopf, als sie im nächsten Augenblick zu weinen begann. „Seit Jahren mache ich Therapie, versuche das zu bearbeiten, aber die Techniken von diesem Dr. Schröder nützen auch nichts.“ Es folgte eine ausführliche Analyse, warum auch der gestrige Besuch beim Psychiater keine gewünschte Wirkung erzielte. Nach Therapeut und Arzt war ich also die Nummer drei auf der Liste.
Rasch war mir klar, dass in diesem Fall intellektuelle Phrasen wenig fruchten würden. Ich bat sie aufzustehen, gab ihr ein Glas und forderte sie auf, es fallen zu lassen. Sie wollte es nicht loslassen, also half ich etwas nach.
Das Glas zerbrach in viele kleine Splitter. Sie schaute mich völlig entgeistert an.
Ich schwieg einen Moment, dann forderte ich sie auf, das Gefäss wieder zusammenzusetzen. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich und ich brach das Experiment ab.
Immer wieder gibt es Dinge in unserem Leben worauf wir im Rückblick nicht besonders stolz sind, weil wir sie zerstört haben. In vielen Fällen ist es nicht mutwillig, wenn wir zum Beispiel anderen Menschen Schmerz zufügen. Schwäche und Angst nehmen in solchen Momenten Besitz von uns und später hindern Stolz und fehlender Mut, die Dinge zu klären. Doch die Folgen können wie bei Diana unsere weitere Zukunft beherrschen, unser seelisches Empfinden blockieren und quälen.
Echtes Bereuen ist ein aussöhnender Blick zurück und kein Steckenbleiben in der Situation.
Das Glas wird, durch welches Bestreben auch immer, nicht wieder ganz. Doch die damit verbundene Erfahrung kann hilfreich sein, ein ähnliches Erleben künftig zu vermeiden.
Wer im zurückblicken verharrt und gleichzeitig vorwärts läuft, riskiert zu fallen.
Daran können weder Therapeut, noch Psychiater oder Coach etwas ändern. Uns Menschen bleiben in solchen Lebenssituationen immer zwei Möglichkeiten; in aussichtslosem Bestreben das Zerbrochene wieder herstellen zu wollen, oder sich dem noch Vorhandenen zu widmen und dadurch das Fallenlassen des zweiten Glases zu verhindern …