…in diesem Sinne schöne Ferien!
Vor Jahr und Tag / 19:
Im Strandcafé morgens um 10.30 Uhr am Lago Maggiore irgendwann im Juli. Ich bin mit meinen Notizen für den nächsten Blog bereits fertig. Allein an einem Tischchen zu sitzen verführt einen manchmal, zum neugierigen Zuschauer zu werden. Sinnierend betrachte ich das Verhalten der übrigen Gäste. Ich nehme unfreiwillig teil an der Diskussion am Nebentisch und rücke achtsam meinen Stuhl zurecht, damit die Dame mit dem Kinderwagen den Weg zu ihrem Tisch findet. Dann halte ich einen Augenblick inne und winke dem Mädchen im Wagen mit den braunen Knopfaugen zu. Die Blicke der Mutter kreuzen die meinen. Sie mag um die dreissig sein. Erschöpft sieht sie aus, denke ich mir. Da beginnt sie auch schon hörbar schwer zu atmen. Sie reckt den Hals und mit hastigen Bewegungen winkt sie einen Mann heran.
„Wo warst du denn, verdammt noch mal. Ich habe dich überall gesucht, kannst du denn nicht“…
„Ich habe nur eine Packung Milch gekauft für den Schoppen“. „Ich hoffe du hast genug Windeln, die sind nämlich schon wieder voll…“
Im wahrsten Sinne Schlag auf Schlag zog sich das verbale Wortgefecht noch zwei bis drei Minuten hin. Ich senke meinen Blick dezent hinunter auf meine Notizen, während in meiner Fantasie das Bild eines Boxkampfes aufsteigt. Er, der Mann, längst schon in der Ecke taumelnd, steckt Schlag um Schlag ein, weit und breit kein Kampfrichter, der dem Ganzen ein Ende setzt.
Der vermutliche Vater verschwindet mit der Kleinen und einer grossen Tüte. Wenig später sehe ich ihn, wie er die Gehversuche des kleinen Mädchens, indem er sie geduldig an beiden Händchen hält, unterstützt. Langsam nur überqueren sie die Terrasse.
Die junge Frau schlürft derweilen an ihrem Cappuccino. Das Handy klingelt. In genervtem Ton folgt eine emotional ausführliche Erzählung des soeben Erlebten. Es dürfte ihre Mutter sein, tippe ich.
Unbeachtet setzt sich der Mann nun ebenfalls an den Tisch. Ich schaue auf die Uhr. Das Ganze hat doch runde 20 Minuten gedauert. Er bestellt sich einen Kaffee mit Aqua minerale con gas, ohne sein Gegenüber eines Blickes zu würdigen.
Vielleicht unanständig und doch menschlich, lasse ich meinen durchaus auch wertenden Schlussfolgerungen freien Lauf.
Das sind sie also, die Ferien von Herr und Frau Schweizer.
Die schönste Zeit im Jahr, wo man seinen Liebsten nahe sein kann und all das Verpasste im stressigen Arbeitsalltag nun bestmöglich nachholen will.
Haben sich die beiden den Urlaub so vorgestellt, frage ich mich. Sind es die illusorischen Vorstellungen, die falsche Erwartungshaltung? Ich bleibe noch einen Moment sitzen. Seitdem das Gespräch am Handy beendet ist, findet kein Austausch zwischen den beiden mehr statt. Der Vater hält die Tochter auf dem Schoss und während diese vergnügt an der Flasche nuckelt, schweift sein Blick in die Weite des Wassers. Ich bezahle und erhebe mich von meinem Stuhl. Ich spüre wie mich die beklemmende Stimmung betrübt. Als ich am Tisch vorbeigehe sehe ich, dass die Frau mindestens im 6. Monat schwanger ist. „Autsch“, ist mein erster Gedanke und ich schäme mich auch sogleich dafür.