Die Kraft der Gedanken und die Kunst diese zu verschwenden
Vor Jahr und Tag:
Als ich Frau Kramer traf, war sie um die 50. Ihr Haar trug sie streng nach hinten genommen. Sie war elegant gekleidet, in blauem Rock mit Schuhen in derselben Farbe. Während sie sprach, beugte sie sich meist nach vorne, drückte dabei die Brille tiefer an die Nasenwurzel und fixierte mich mit forschendem Blick. Nach einigen Minuten schliesslich brach es aus ihr heraus.
“Seit 15 Jahren arbeite ich nun bereits als enge Vertraute für diesen Chef. Er behandelt mich genau so wie die anderen Mitarbeiter, von oben herab, nie ein Danke, kaum ein Morgengruss und immer dieses Subtile, was man doch noch hätte besser machen können.”
Im Laufe des Gesprächs steigerte sie sich mehr und mehr in die Emotionen, mal weinte sie, mal wurde sie laut. Meine Gedanken kreisten um die Möglichkeit sie zu unterbrechen, ihr aufzuzeigen, dass diese Art von Zusammenarbeit immer auch ein passendes Gegenüber braucht. Ich liess mein Vorhaben fallen, die Worte wären zu diesem Zeitpunkt kaum zu ihr durchgedrungen. So liess ich sie einige Minuten gewähren.
Nach mehreren Versuchen wurde mir klar, dass einem Unterbruch des Redeflusses mit gängigen Methoden nicht beizukommen war.
So erhob ich mich und wandte mich meinem Schreibtisch zu. Ich nahm den dortigen Stuhl und rollte ihn an unseren Tisch. Die kleinen Rädchen quietschten dabei leicht. Auf einmal hielt Frau Kramer inne. Zeitgleich nahm ich ein weiteres Glas vom Tablett, goss Mineralwasser ein und stellte es auf den Tisch. Sie rückte die Brille zurecht und musterte mich mit erstauntem Blick. Sie wirkte sichtlich verunsichert. „Was, was tun sie da“, fragte sie.
Ich setzte mich wieder und entgegnete freundlich. „Ich habe für Ihren Chef einen Stuhl gebracht und ihm ein Glas Wasser eingeschenkt.“ „Aber, aber“, stotterte sie, sichtlich verwirrt, „warum, der ist ja gar nicht da. Er ist auf Geschäftsreise in Paris, der kommt doch nicht…“ Ich unterbrach sie. „Nein, natürlich kommt er nicht. Er ist ja schon da“. Ich schwieg einen Augenblick. „Der ganze Raum ist ausgefüllt mit ihren Emotionen die sie ihm entgegen bringen. Es dreht sich alles um ihn, also ist er, wenn auch nur gedanklich präsent und nimmt massiven Einfluss auf unser Gespräch. Da finde ich es nur anständig, ihm einen Stuhl und Wasser zu bringen, dass er sich hier auch symbolisch setzen darf….“
Wann immer auch Sie sich besonders über andere aufregen, stellen sich gleichzeitig einige Fragen.
Zum Beispiel: Wem schadet es und wem ist es nützlich? Wer beherrscht in solchen Momenten Ihre Gefühle und Emotionen. … Und schliesslich: Wer hat die Macht über Sie?
Mir ist beim Lesen sofort eine Person eingefallen, bei der ich genau das Beschriebene anwenden werde! Danke für das Teilen dieser tollen Reaktionsmöglichkeit 🙂
Liebe Birte sehr gerne geschehen
Ihre Methode an die Sache ranzugehen, zu der Frau durchzudringen, ganz klasse! Es ist kaum anders möglich solchen Personen die Spirale nach unten zu stoppen. Ohne sie in ihrem Gefühl zu bestärken oder dass sie sich missverstanden und angegriffen fühlen. Danke für Ihre Worte!
Liebe Nicole ich danke Ihnen für den Kommentar wenn es auch nicht immer so einfach ist es anderen aufzuzeigen oder sich selber auch daran zu halten…