Von der Unkunst, im richtigen Augenblick die falsche Frage zu stellen
Paradoxli ist ausser sich. Er regt sich auf, dass es ihm einmal mehr nicht gelungen ist, Haltung zu bewahren. Es war nicht notwendig, die eigene Meinung kund zu tun um stattdessen seinem verletzenden Zynismus freien Lauf zu lassen. Dies ausgerechnet am Elternabend seiner Tochter.
Er klappt den Klodeckel hinunter, schliesst die Tür und setzt sich. In der Toilette des Schulhauses hat er sich eingeschlossen. Dieser kurze Augenblick der Ruhe ist ihm wichtig, um sich zu sammeln und zu überlegen, ob er sich entschuldigen soll, oder nicht. Alles hat damit begonnen, dass die grüne Gemeinderätin sich neben ihn gesetzt hat. Als ob sie es geahnt hätte, dass er ein schizophrenes Verhältnis zu Politikern pflegt. Ja, er ist zwar dankbar, dass sich immer wieder Menschen finden, die politische Ämter ausüben. Andererseits sind ihm Leute, welche einen Teil ihres Gedankengutes einer Partei verschreiben, hochgradig suspekt. Er ist und war stets der Meinung, von links bis rechts sind überall gute wie schlechte Ideen zu finden. Sich auf das eine zu konzentrieren, vergleicht er im positiven Sinne mit einem Hauch von engstirniger Einseitigkeit, die er auch gerne, allerdings nur unter Freunden, als das Anfangsstadium des Tunneldenkens bezeichnet.
Nichts desto trotz hat er die Gelegenheit gepackt und hat seiner Nachbarin, Regula Sturny, freundlich eine Frage gestellt: „Äh, entschuldige Regula, weisst Du, ob die heute anwesenden drei Übersetzer von den Steuerzahlern entschädigt werden?“ Und ob es nicht sinnvoll wäre, ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger im Erlernen der Landessprache nachhaltig zu motivieren?
Er wusste nicht, welcher Satz den Ausschlag gab, der dazu führte, dass sie wie eine Rakete durchstartete. Er musste eine Litanei über soziales Gedankengut über sich ergehen lassen, die mit der Anschuldigung zum Rechtspopulismus endete. Natürlich hätte er sich die Sprüche von Hauptsache Umweltschutz und Fahrradwege etc. ersparen können… Auf die Frage nach ihrem Leistungsausweis verzichten müssen. Er hätte wissen müssen, dass ihre Ausbildung als Gitarrenlehrerin in der Öffentlichkeit als Kompetenznachweis für ihr Amt in Frage gestellt wird. Doch was soll’s.
Ist es nicht paradox, dass man elementare Fragen zur Förderung der Integration nicht stellen darf, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden? Wie sinnvoll wäre es zum Beispiel, statt Flüchtlinge nach der Einreise in unser Land monatelang ohne aktive Tätigkeit zusammengepfercht in Heimen ausharren zu lassen, mit sinnvollen Aufgaben… nein, für heute ist es genug.
Paradoxli schliesst die Türe auf, verlässt die Toilette. Er wird versuchen der Tochter sein Verhalten zu erklären und künftig die Elternabende seiner Frau überlassen.