Richtig ist, was Recht ist: Hauptsache 0,5
Paradoxli fühlt sich nicht wohl in der Runde. Es ist laut im Restaurant. Zudem ist ihm diese Art von Kneipe mit Holztischen und Bierwerbung nicht wirklich sympathisch.
Wieder einmal ertappte er sich in der Rolle des Angepassten. Einfach zu feige war er, einmal mehr, den Mut zur Unpopularität aufzubringen und Sandro den Wunsch, ihn nach dem Fitness in den Hirschen zu begleiten, abzuschlagen. Prompt sind sie nun alle da, die ihm fremden Menschen, Weggefährten seines Fitnesspartners, wie vermutet. Am Stammtisch, wie jeden Abend. Mit ihnen hat er nichts am Hut. So bleibt er ruhig. Beinahe stoisch lässt er die Tagesaktualitäten, die rechthaberischen Weisheiten über Politik und Gesellschaft über sich ergehen.
„Also, noch ein Bier, dann aber müssen wir wirklich gehen“. Und schon wieder hat ihn der Charme von Sandro erwischt und das Getränk ist auch für ihn bestellt. Man hat in der Zwischenzeit das weibliche Geschlecht in typischer Männermanier hinter sich gelassen und ist bei den Krankheiten angekommen.
Paradoxli wird noch immer kaum beachtet, was ihn auch nicht stört. Ganz im Gegenteil. Er kriegt sein zweites Bier.
„Ja, da hat mir der Arzt diese komischen Tabletten verschrieben, bin zwar etwas schlapp, dafür kann ich schlafen”, erzählt da der eine. Sandro und die beiden anderen stimmen ein. Sie beschreiben ihrerseits die eigenen Symptome, tauschen Medikamentennamen aus. Denis, so der Name des schnauzbärtigen Franzosen, zieht eine Schachtel aus der Manteltasche und zeigt sie herum. Nun fühlt sich Paradoxli vollends unwohl.
Die Gruppe kommt so richtig in Fahrt. Der eine spricht über die Erfahrungen mit Benzodiazepin, der andere klärt auf über die verschiedenen Neuroleptikas. Sie ereifern sich, fallen einander gegenseitig ins Wort. Als sie beginnen, sich über die Gaba Rezeptoren zu unterhalten, reicht es Paradoxli endgültig. Er ruft nach der Rechnung. Sandro schaut auf die Uhr und will ebenfalls aufbrechen, die anderen suchen nach ihren Jacken auf der Ofenbank und folgen. Gemeinsam verlassen sie das Restaurant und treten auf den Parkplatz hinaus. Ein kurzes “auf Wiedersehen” und Paradoxli fühlt sich erlöst. Er setzt sich in seinen Wagen und atmet tief durch. Er beobachtet, wie die Gruppe sich trennt und jeder nach seinem Fahrzeug Ausschau hält.
Ist es nicht Paradox! Paradoxli, der sich in der Materie auskennt, schüttelt ungläubig den Kopf.
Jeder Einzelne von ihnen, Sandro eingeschlossen, schluckt regelmässig diese “beruhigenden” Medikamente. Die Folgen können zum Teil fatal sein, Wahrnehmung und Reaktion drastisch voneinander abweichen. Aber jeder steigt in sein Auto und fährt los. Zwei Glas Wein und eine Verkehrskontrolle hätten dramatische Konsequenzen. Und die Folgen der Medikamente, die Gefahr der Nebenwirkungen im Strassenverkehr?
Hauptsache unter 0,5! Siehe Art 30 der Verkehrszulassungsverordnung. Recht muss sein…